Mehr Behandlungsfehler in Westfalen Lippe
Dortmund (ots) – Die Anzahl der Verdachtsfälle auf einen medizinischen Behandlungsfehler sind in Westfalen-Lippe in 2024 weiter deutlich gestiegen. Nach einer aktuellen Auswertung der AOK NordWest bei ihren Versicherten wurde in 748 Fällen ein Verdacht geäußert, der weiterverfolgt wurde. Zum Vergleich: Im Jahr zuvor waren es 682 Fälle, in 2022 insgesamt 595 Fälle.
AOK fordert Absenkung der Beweislast
AOK-Vorstandschef Tom Ackermann weist anlässlich des Welttages der Patientensicherheit am 17. September darauf hin, dass viele Patientinnen und Patienten nach wie vor große Probleme haben, ihre Rechte durchzusetzen, wenn sie vermuten, Opfer eines Behandlungs- oder Pflegefehlers oder Schadens durch ein fehlerhaftes Medizinprodukt oder eines Arzneimittels zu sein.
„Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit von mehr als 50 Prozent sollte künftig als Beweis für den Zusammenhang zwischen Fehler und Schaden ausreichen. Die neue Bundesregierung ist gefordert, das Patientenrechtegesetz von 2013 endlich im Sinne der Patientinnen und Patienten konsequent weiterzuentwickeln. Das Thema ist in den letzten beiden Legislaturperioden trotz vieler Beteuerungen nicht angepackt worden“, so Ackermann.
Mehr als 2.000 Verdachtsfälle in drei Jahren
Insgesamt 2.025 AOK-Versicherte in Westfalen-Lippe haben allein in den letzten drei Jahren den Verdacht auf einen Behandlungsfehler bei ihrer Krankenkasse vorgetragen. Dies war vor allem in den operativen Fachrichtungen wie Chirurgie, Orthopädie, Gynäkologie, Innere Medizin und Zahnheilkunde der Fall. Hier hilft die AOK NordWest ihren Versicherten mit fachkundiger Beratung durch Experten und Mediziner. „Damit stärken wir die Rechte der Patientinnen und Patienten und profilieren uns als Anwalt unserer Versicherten“, so Ackermann.
Fast 25 Prozent der Fälle sind Behandlungsfehler
Die AOK-Expertinnen und -Experten fordern Behandlungsunterlagen an, koordinieren externe Gutachten, bewerten diese oder fertigen eigene an und stellen diese den Versicherten kostenfrei zur Verfügung. In rund 75 Prozent der Verdachtsfälle wird kein beweisbarer Medizinschaden festgestellt oder es handelt sich um einen unberechtigten Vorwurf. In fast 25 Prozent der Fälle handelt es sich jedoch um einen Behandlungsfehler. Wenn Vergleichsverhandlungen mit Haftpflichtversicherern scheitern, wird der Klageweg beschritten. Allein in den vergangenen vier Jahren hat die AOK NordWest in Westfalen-Lippe und Schleswig-Holstein gerichtlich oder im Vergleich mit Haftpflichtversicherern insgesamt über 15,7 Millionen Euro erfolgreich durchgesetzt.
Positionspapier zu Patientenrechten
Die AOK fordert in ihrem Positionspapier, dass die Beweislast für alle Gesundheitsschäden auf eine überwiegende Wahrscheinlichkeit von mehr als 50 Prozent reduziert wird. Zuvor müsse nachgewiesen werden, dass überhaupt ein Schaden und Fehler vorliegt. Dafür seien die Behandlungsunterlagen eine wichtige Grundlage. Die AOK verlangt eine umfassende Akteneinsicht, auch in Metadaten elektronisch geführter Patientenakten. Zudem müsse die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zu den Kosten für die erste Kopie einer Patientenakte von 2023 in nationales Recht umgesetzt werden.
Nachweis von Schäden durch Arzneimittel
Besonderen Nachbesserungsbedarf sieht die AOK beim Nachweis von Schäden durch Arzneimittel. Dieser sei bisher „praktisch unmöglich“. „Hier müssen die Patientinnen und Patienten in Deutschland überhaupt erst einmal in die Lage versetzt werden, Ansprüche auf Schadenersatz durchsetzen zu können“, so Ackermann.
Das Positionspapier enthält zudem die Forderung, dass Patientinnen und Patienten aktiv über Behandlungsfehler oder Schäden durch Medizinprodukte informiert werden. „Die gesetzlichen Regelungen müssen an diesem Punkt dringend nachgebessert werden“, so Ackermann. Dabei sollten auch die Offenlegungspflichten aus der EU-Produkthaftungsrichtlinie umgesetzt werden.

