8. Juni 2023 / Geschichte in Dortmund

Jüdische Familie Reich bekommt Stolpersteine in Dortmund

Ausstellung zur "Polenaktion" in der Steinwache eröffnet!

In einer Massenaktion wurden 1938 rund 17.000 Menschen aus dem Deutschen Reich nach Polen ausgewiesen. Darunter waren auch Mitglieder der jüdischen Familie Reich, für welche am 6. Juni 2023 in der Leopoldstraße Stolpersteine verlegt wurden. Die aktuelle Sonderausstellung in der Steinwache thematisiert ebenfalls die sogenannte "Polenaktion".

Die bei der "Polen-Aktion" verfolgten Menschen waren Jüd*innen polnischer Staatsangehörigkeit, die im Deutschen Reich lebten. Bis heute ist diese Deportationsaktion in der Erinnerung wenig präsent.

In der Mahn- und Gedenkstätte Steinwache erzählt die Ausstellung "Ausgewiesen! 28. Oktober 1938 - Die Geschichte der 'Polenaktion'" nun u.a. davon, wie auch 600 Männer, Frauen und Kinder aus Dortmund von dieser ersten reichsweit organisierten und gewalttätig durchgeführten Massenausweisung betroffen waren. Biografische Tafeln stellen Lebenswege und Schicksale von Ausgewiesenen aus verschiedenen Städten und Orten in Deutschland dar, Kontexttafeln erläutern die Hintergründe.

Schicksal der Dortmunder Familie Reich
Bei der Verlegung der Stolpersteine am Dienstag, 6. Juni, sprach auch Martin Reich aus England. Er und sein Bruder Alan sind Nachfahren der Familie Reich, die im Oktober 1938 aus Dortmund deportiert wurde und für die am Vormittag des 6. Juni 2023 Stolpersteine in der Leopoldstraße 20 verlegt wurden. Ihr Vater konnte als Kind rechtzeitig vor den Nazis in Sicherheit gebracht werden, dessen Eltern jedoch wurden ermordet.

Von seinen Großeltern - Markus Leib Mordechai Reich und Regina Rebecca Reich - so erzählte Martin Reich, gebe es keine Fotos, keine Erinnerungsstücke. Sie waren einst aus Polen nach Deutschland gekommen, um ein besseres Leben für ihre Familie zu finden. Rund 20 Jahre hätten sie mit ihren Kindern in Deutschland gelebt, bevor sie bei der "Polenaktion" deportiert wurden.

Historischer Hintergrund der "Polenaktion"
Wie von Dr. Alina Bothe, Historikerin am Selma-Stern-Zentrum für Jüdische Studien an der Freien Universität Berlin, darlegt, handelte es sich bei der "Polenaktion" um eine Deportation vor den Deportationen, die maßgeblich für die Beschleunigung der Verfolgung von Jüd*innen 1938 war. Demnach war die Ausweisungsaktion durch die deutschen Täter bereits Monate im Voraus geplant und organisiert.

Alan Reich ordnet die Geschehen rund um seine Familie wie folgt ein: "Die 'Polenaktion' ist eine Ereignis, das durch die später erfolgten Geschehnisse nahezu in Vergessenheit geraten ist. Doch ist die 'Polenaktion' ein wesentlicher Teil des Ganzen - sie kann als eine Art Generalprobe für das verstanden werden, was folgte; koordinierte Festnahmen und Deportationszüge nach Polen."

Mit Blick auf seine Vorfahren sagt Reich: "Viele jüdische Familien sind durch die Taten der Nationalsozialisten zerstört worden, und ich persönlich bleibe mit mehr Fragen als Antworten zurück. Ich möchte mehr wissen über das Leben, das meine Familie hier in Dortmund hatte - um zu verstehen, was vor den brutalen Deportationen kam und was passierte, bevor mein Vater und seine beiden Geschwister zu Geflüchteten in England wurden."

Mahnende Erinnerungen
Die Wanderausstellung "Ausgewiesen! 28. Oktober 1938 - Die Geschichte der 'Polenaktion'" basiert auf einer vom Osteuropa-Institut der Freien Univerität Berlin und dem Aktiven Museum Faschismus und Widerstand in Berlin e.V. gemeinsam mit Studierenden erarbeiteten Ausstellung zur Geschichte der "Polenaktion" in Berlin, die 2018 in der Stiftung Neue Synagoge Berlin - Centrum Judaicum und 2019 im Jüdischen Historischen Institut Warschau gezeigt wurde.

Die offizielle Eröffnung der Ausstellung findet am 6. Juni um 19:00 Uhr statt, die Tafeln können auch vorher schon bei einem Besuch der Steinwache angeschaut werden. Die Schau ist bis zum 30. September zu sehen. Der Eintritt ist frei.

Quelle Text & Bild: Stadt Dortmund

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